Die Stadtwerke Schwäbisch Hall, der Verteilnetzbetreiber Netze BW und der Übertragungsnetzbetreiber TransnetBW haben heute erstmals die teil-automatisierte Umsetzung des Kaskadenprozesses nach § 13 Abs. 2 EnWG demonstriert. Dieser sieht im Notfall die stufenweise Steuerung von Anlagen aus nachgelagerten Netzen vor, um kritische Netzsituationen zu beheben. In der heutigen Demonstration wurde eine simulierte Systembilanzgefährdung mittels des teil-automatisierten Kaskadenprozesses und eines intelligenten Messsystems behoben. Dabei wurden Anlagen bis in die unterste Spannungsebene gesteuert. Das ausgewählte Szenario ist jedes Jahr insbesondere an Pfingsten eine realistische Situation, die die Zusammenarbeit aller Netzbetreiber erfordert.
Grundlage bildet die im SINTEG-Projekt C/sells entwickelte Abstimmungskaskade. Diese definiert für die jeweiligen Netzbetreiber klare Regeln und Prozesse in Abhängigkeit der Ampelphasen. Durch eine Leitstellen-Leitstellenkopplung werden so kontinuierlich Informationen zum Netzzustand über die Spannungsebenen hinweg ausgetauscht. Dank dieser kommunikationstechnischen Kopplung von TransnetBW und Netze BW sowie des bidirektionalen Informationsaustauschs in Echtzeit lassen sich nun Notfallsituationen gemeinsam über alle Spannungsebenen hinweg innerhalb nur weniger Minuten meistern. Verschiedene Ampelphasen visualisieren dabei in den Leitstellen den Netzzustand und die daraus abzuleitenden Maßnahmen.
„Mit der Teil-Automatisierung der Kaskade ist es möglich, gemeinsam mit Verteilnetzbetreibern einfach und unkompliziert innerhalb kürzester Zeit eine Vielzahl dezentraler Anlagen zu steuern, um eine kritische Netzsituation zu beseitigen“, erklärt Dr. Rainer Enzenhöfer, Teilprojektleiter C/sells, von TransnetBW. Jens Wiedenmann von Netze BW ergänzt: „Aufbauend auf den gesammelten Erfahrungen im Projekt können nun weitere Umsetzungsschritte geplant werden. Für uns als Flächennetzbetreiber mit mehr als 90 nachgelagerten Netzbetreibern muss in den nächsten Schritten insbesondere die Skalierbarkeit angegangen werden.“
Mit dem Verteilnetzautomatisierungs-Tool der VIVAVIS AG erfassen und übertragen die Stadtwerke Schwäbisch Hall energieträger- und netzknotenscharf die Einspeisungen an den vorgelagerten Netzbetreiber Netze BW. Zudem können an die Stadtwerke Schwäbisch Hall gerichtete Maßnahmen der Netze BW über das in das Netzführungssystem integrierte Netzstabilitätsmanagementsystem automatisiert abgewickelt werden. Dazu wird, je nach Maßnahmenart, auf steuerbare Einspeiser oder Lasten im Netzbereich der Stadtwerke Schwäbisch Hall diskriminierungsfrei zugegriffen. „So wird das Leitstellenpersonal optimal entlastet und die Maßnahmen können innerhalb des engen Zeitfensters umgesetzt werden“, erläutert Peter Maas, Business Development Manager der VIVAVIS AG.
Die Steuerung der Anlagen erfolgt ebenfalls automatisiert sowohl per Fernwirktechnik als auch über das intelligente Messsystem der Power Plus Communications AG (PPC). „Das intelligente Messsystem bildet die sichere Basis für die Digitalisierung der Abstimmungskaskade und damit für die erfolgreiche Integration von Erneuerbaren Energien in die Verteilnetze“, so Marilen Ronczka, Head of Innovation Management bei PPC und Teilprojektleiterin in C/sells zum Aufbau der Lösung. Die beiden IKT-Unternehmen PPC und VIVAVIS AG sind Partner im C/sells-Projekt und trugen einen maßgeblichen Anteil am Erfolg der Demonstration bei.
„Das Projekt hat gezeigt, dass die Anforderungen im Rahmen der Kaskade weitestgehend automatisiert umgesetzt werden können. Die hieraus wachsende Verantwortung für die Systemstabilität ist eine logische Konsequenz des Umbaus unserer Erzeugerlandschaft in Deutschland. Im partnerschaftlichen Austausch über alle Netzebenen werden wir die kommenden Herausforderungen meistern können“, zeigt sich Peter Breuning, Abteilungsleiter Netzleittechnik bei den Schwäbisch Haller Stadtwerken, optimistisch für die Zukunft.
Über C/sells:
C/sells ist Teil des Förderprogramms „Schaufenster intelligente Energie – Digitale Agenda für die Energiewende“ (SINTEG) des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Ziel ist es, in großflächigen „Schaufensterregionen“ skalierbare Musterlösungen für eine umweltfreundliche, sichere und bezahlbare Energieversorgung bei hohen Anteilen erneuerbarer Energien zu entwickeln und zu demonstrieren. Im Zentrum stehen dabei die intelligente Vernetzung von Erzeugung und Verbrauch sowie der Einsatz innovativer Netztechnologien und -betriebskonzepte. Innerhalb der größten SINTEG-Modellregion demonstriert C/sells mit 59 Partnern aus Wissenschaft, Industrie und Netzbetrieb bereits heute, wie die flächendeckende Umsetzung der Energiewende und der Ausbau erneuerbarer Energien großflächig funktioniert. Dabei entwickeln und demonstrieren die Projektpartner das Zusammenwirken von sogenannten Zellen innerhalb des durch die Energiewende vorgezeichneten, zukünftigen Energiesystems. Damit entsteht die Blaupause des Energiesystems von morgen, in dem die Energiewende-Ziele der Bundesregierung verwirklicht sind. Mehr Informationen unter: www.csells.net.